cs_erfurt ?

   


Schulmassaker in Erfurt. Die Bevölkerung ist entsetzt, die Medien sind entzückt. Endlich unser eigenes Littleton.

Auch Schuldige sind schnell gefunden: Musik, Filme, das Internet und natürlich die bösen Computerspiele.Stoiber, Beckstein, Schilly, Schröder, alle sind sich einig: Gewalt-Schund muß verboten werden. Schilly gibt sich bei "Christiansen" sogar die Blöße zu bedaueren, daß "die Amerikaner" dieses blöde first ammendment haben. Meinungsfreiheit. Mist. Hollywood kann man also nicht mit der Wurzel ausrotten... Aber zumindest das staatliche Pilotprojekt zur Internetzensur in NRW muß sich doch auf Gesamtdeutschland und "Schund" ausweiten lassen. Auch nicht? Sch...ade. Dann wenigstens Computerspiele verbieten. Und Heavy-Metal Musik. Schließlich weiß man doch seit jeher: Computerspiele zwingen Jugendliche in die Asozialität und machen sie zu Gewalttätern mit bester Aussicht auf Amoklauf. Und Rockmusik ist sowieso Teufelszeug.

Und wenn dann der Schund verboten ist, dann legen sich die Herren Stoiber, Schröder, Beckstein und Schilly beruhigt wieder schlafen. Bis der nächste Amoklauf sie jeh wieder hochschrecken läßt, und zwingt dieimmerselben Betroffenheits-, Profilierungs- und Aktionismusmuster abzuspulen.

Es ist leider viel bequemer Counter Strike zum Gewaltkatalysator zu stilisieren, als echte Ursachenforschung zu betreiben. Von meinem persönlichen Erfahrungshorizont aus beobachtet, fehlt der derzeitigen Disskusion um Lehrer-Schülerverhältnisse, Schulpsychologen und womöglich auch noch Pisastudie jeglicher Realitätsbezug. Ich habe in meiner 13 jährigen Ausbildung an Grundschule und Gymnasium nicht viel gelernt. Nichts was 13 Jahre wert gewesen wäre. Eine Lektion bekommt man allerdings sehr deutlich vermittelt: Sozialdarwinismus. Ausgrenzen von Andersartigen. Wenn ein derartiges Demütigungssystem dann auf einen instabilen Charakter mit schlechtem Elternhaus trifft, dann ist eine Katastrophe, sei sie persönlich oder öffentlich, vorprogrammiert. Ein schöner Artikel zu diesem Themenkomplex findet sich hier.

Was mich allerdings am meisten ärgert: Niemand sucht den schwarzen Peter bei Schützenvereinen oder ähnlichen gewaltverherrlichenden Organisationen. Warum gibt es eigentlich Schützenvereine, aber keine Bombenlegervereine?

"Computerspiele vermitteln Schießkompetenz" mußte ich heute lesen. (Ich habe allerdings noch keine mausgesteuerten Pumpguns gesehen) Es muß aber doch auch die Frage erlaubt sein: Was vermitteln Schützenverein, Polizeisportverein und Bundeswehr? Demokratische Werte? Oder nicht doch eher Schießkompetenz? Diese Fragen stellt man aber besser nicht: Schließich haben Schützenvereine, Jäger und andere Waffenbenutzer eine schön große Lobby und schön viele Stimmen bei der nächsten Wahl.

Unterm Strich wird sich außer etwas mehr Zensur hier und da nichts ändern. In drei Wochen kräht dann kein Hahn mehr danach. Bis der nächste Schütze unzufrieden mit seiner Gesamtsituation ist.

Genug blödgefaselt. Bevor ich jetzt wieder GTA3 weiterspiele, schließe ich mit einem Zitat eines Schülervertreters aus der oben erwähnten "Sabine Christiansen" Sendung: "Man kann auch Rockmusik hören, ohne Menschen zu töten. Es geht wirklich."


 
       
  


 
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