...in the state of Denmark, und nicht nur dort.
Stefan Bachmann inszeniert Hamlet. In Kopenhagen. Oder besser gesagt, er inszeniert ihn nicht.
Seine Akteure wollen nicht mehr. Das liegt aber nun nicht daran, daß Herr Bachmann ein schlechter Regisseur wäre. Oder ein besonderes bösartiger, oder blöder. Nein, es liegt an der Besetzung der Ophelia. Die wollte Bachmann nämlich von einer am Down-Syndrom erkrankten Frau spielen lassen. Daraufhin sahen sich drei seiner Schauspieler aus "ethischen Gründen" veranlasst ihr Engagement zu kündigen.
Ich weiß nichts über die Absichten von Herrn Bachmann. Mögen sie einen guten oder bösartigen Hintergrund haben. Der Umgang mit dem Fall jedoch zeigt, daß einiges faul ist im Staate Dänemark und der Welt:
Bachmanns Ophelia wird kein Name zugestanden. In keinem der von mir ergoogleten Presseartikel wird die Frau namentlich erwähnt. In vielen der Artikeln ist die Rede von "einem Mädchen mit Down-Syndrom". Die Frau ist jedoch 35 Jahre alt. Scheinbar sind Behinderte in der öffentlichen Wahrnehmung nicht wirklich Menschen. Und falls es sich nicht vermeiden läßt ihre Existenz zuzugeben, degradiert man sie zu Kindern und Namenlosen.
Erschüttert haben mich auch die Aussagen der etablierten Kunstschaffenden und deren Kritiker. "Das ist keine Kunst" - "krankhafte Regie-Phantasie" - "Ausstellen eines Krankheitsbildes". Mir fehlten in diesem Zusammenhang eigentlich nur die Stichwörter "entartete Kunst" und "Euthanasie". Meiner Ansicht verschwimmt im Theater immer die Grenze zwischen Vorstellung und Ausstellung.
In diesem Zusammenhang sind auch die letzten Projekte von Christoph Schlingensief erwähnenswert. Gerade (zu spät) bin ich auf "Freakstar 3000" aufmerksam geworden. Eine Parodie auf die unsäglichen Fernsehshows die uns "No Angels" und "Brosis" eingebrockt haben (und andere). Auf Viva Plus ausgestrahlt, spielte Schlingesief hier mit echten Menschen (Behinderten) nach was auf RTL2 mit Lucy, Faith und den anderen Klonen ausgestrahlt wurde. Hoffentlich wird das wiederholt...
Gestern im ZDF (wieder in der Reihe das kleine Fernsehspiel (sehr empfehlenswert!)) lief eine Dokumentation über sein Projekt "Chance 2000" zur letzten Bundestagswahl. Auch hier wirkten in seinem Wahlkampf-Zirkus (ein echter Zirkus als fahrende Parteizentrale) viele der (behinderten) Künstler mit, die nun in "Freakshow 3000" auftraten. Interessant, daß die Idee hinter dem Projekt (meiner Auffassung nach) hauptsächlich war, Minderheiten (Arbeitslose, Behinderte, Demokraten) wieder ihre Existenz zuzugestehen. (Die Minderheiten sind in der Mehrheit.)
In der Dokumentation wurde auch gezeigt, wie zwei der Ministerkandidaten heiraten wollten. Beide waren psychisch krank und haben eine entsprechende Therapiekarierre hinter sich. Die Hochzeit fiel auf grund fehlender Papiere ins Wasser. Der Amtsarzt hatte erst zu bestätigen, daß Heiratsfähigkeit vorlag. Die Standesbeamtin sah den Beiden nicht ins Gesicht, redete in ihrer Anwesenheit nicht mit ihnen, sondern wandte sich an Schlingensief und Andere aus der Hochzeitsgemeindschaft. Und daß obwohl die beiden "normaler" waren als somancher, der mir im täglichen Leben über den Weg läuft.
Das finde ich sch...ade. Sehr schade.
Solange Behinderte ausgelacht werden wenn sie auf einer Bühne stehen, oder diese gar nicht erst betreten dürfen, solange die Existenz von Minderheiten geleugnet wird, solange ist etwas faul im Staate Dänemark und überall sonst.
(Anregung/Quelle: Kulturzeit vom 20.08.02, 3sat)
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